Seit 12 Jahren gibt es das Projekt Virtuous Pedophiles (Tugendhafte Pädophile) im internationalen Raum. 12 Jahre voller Geschichten und Biografien. Wir haben diese lange Zeit zum Anlass genommen um darüber zu schreiben, was Selbsthilfeforen auch gesellschaftlich leisten. Aus unserer eigenen Erfahrung wissen wir, dass viele Menschen in unserem Forum Hilfe gefunden haben und in ihrem Leben einen Weg finden konnten, mit sich im Reinen zu sein.
Aber auch die Anfragen von Wissenschaftler:innen, Student:innen und Medienschaffende, zeigen uns, dass der Themenkomplex um die Pädophilie immer interessanter und wichtiger wird. Wichtiger auch deshalb, weil Prävention Kinderschutz bedeutet. Zusammen mit der Frage nach dem Schutz von Kindern rückt das Interesse der Forscher:innen auch immer stärker in die Richtung der Stigmatisierung und dessen Bedeutung. So ist zumindest unser Eindruck. Anhand von wissenschaftlichen Befragungen wird häufig deutlich stärker ein Augenmerk auf die Botschaft gelegt, welche aufklärende Internetseiten und Präventionsprojekte, Menschen mit einer pädophilen Sexualpräferenz vermitteln wollen.
Es existieren immer mehr Anlaufstellen und Hilfsangebote für Jugendliche, die an sich bemerken, dass sie sich emotional und/oder sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Es ist erkannt worden, dass frühzeitige Aufklärung entscheidend ist. Viele Pädophile können das nachvollziehen, wenn sie daran denken, wie es ihnen ergangen wäre, wenn sie frühzeitig das Gefühl bekommen hätten, dass sie keine Monster sind.
Dieses Wissen, welches in Studien und somit in wissenschaftlicher Forschung einfließt, kommt auch zu einem großen Teil durch Anti-Kontakt Communitys zustande.
Deshalb haben wir unsere amerikanischen Freunde Charlie, Bly und Brandon von VirPed gefragt, was sie sich für die Zukunft wünschen.
Markus
Unsere Projekte sind verbunden und euer Forum war ein Vorbild für Gemeinsam statt allein. Seit vielen Jahren engangiert ihr euch in der Selbsthilfe. In eurem Forum werden sicherlich auch viele Studien und wissenschaftliche Arbeiten vorgelegt und die Nutzer:innen ermutigt, daran teilzunehmen. Diese wichtigen Erkenntnisse tragen auf lange Sicht auch gesellschaftliche Früchte. Angesichts der Stigmatisierung setzt man sich aber auch Gefahren aus. Was würde eurer Meinung nach die Arbeit von VirPed erleichtern und ist die Finanzierung von Selbsthilfeprojekten nicht eigentlich Aufgabe des Gesundheitssystems?
Bly
Es würde unsere Arbeit erleichtern, wenn ich meine Anonymität aufgeben könnte, ohne das Gefühl zu haben, dass ich mein Leben und mein zukünftiges Glück und meine Sicherheit gefährden würde. Ich bin auf jeden Fall der Meinung, dass die Gesundheitssysteme, Zeit und Geld in die Unterstützung von MAPS (Minor attracted Person) investieren sollten, nicht nur aus Gründen der Prävention, sondern weil dies die psychische Gesundheit eines großen Teils der Bevölkerung verbessern würde, unabhängig davon, ob sie jemals straffällig werden könnten oder nicht. Ich denke jedoch, dass auch freiwillige Peer-Support-Organisationen eine Rolle spielen, und wir wären bei der Bereitstellung von Peer-Support erfolgreicher, wenn wir in einem weniger stigmatisierten Umfeld arbeiten könnten.
Charlie
Ich kann ganz allgemein antworten, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von uns als existierende Menschen, die keine tickenden Zeitbomben sind, definitiv helfen wird. Aber das ist eines der Dinge, auf die wir hinarbeiten, so dass wir mehr und größere Orte mit korrekten Informationen über uns brauchen. Organisationen für psychische Gesundheit müssen stärker bereit sein, sich für unsere Belange einzusetzen, und das gilt auch für Organisationen für sexuelle Gesundheit. Ich stimme auch zu, dass wir aufgrund unseres wachsenden Umfangs und der Menge an Arbeit, die wir für die psychische Gesundheit in unserer Gemeinschaft und für CSA-Präventionsagenturen leisten, finanzielle Mittel erhalten sollten. In diesem Sinne muss es auch einen einfacheren Weg geben, CSA-Präventionsstellen, MAP-Organisationen und Organisationen für psychische Gesundheit weltweit miteinander zu verbinden, damit wir leichter für dieselben übergreifenden Ziele zusammenarbeiten können. Eine sicherere Zukunft für Kinder und eine einfachere Zukunft für MAPs. Eines der Dinge, die unsere Arbeit ebenfalls erleichtern würden, ist die Anerkennung. Wenn mehr MAPs uns finden, wäre es einfacher, uns weiterzuentwickeln.
Markus
Vielen Dank für eure Antworten. Solche Projekte wie unsere werden von uns selbst und durch Spenden finanziert. Unsere Teilhabe an Forschung ist nicht zu unterschätzen. Meiner Meinung nach ist es falsch, dass wir uns selbst in gewisser Hinsicht, die Entstigmatisierung, Aufklärung und Teilnahme an der internationalen Wissenschaft, selbst bezahlen. Es wäre uns zu wünschen, dass wir eines Tages finanzielle Mittel erhalten, die unsere wichtige und präventive Arbeit erleichtert. Unser Preis sollte nicht nur aus dem damit einhergehenden Abbau der Stigmatisierung bestehen.
Ich würde mir auch eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Institutionen wünschen, insbesondere um Minderjährigen zu helfen. Besonders interessant finde ich den Ansatz der Vernetzung. Wenn Institutionen, die Präventionskampagnen anbieten, mit eingebunden werden, dann wird dieses Thema breiter in die Öffentlichkeit getragen. Wenn viele Akteure aus dem Gesundheitswesen und des Kinderschutzes involviert werden, dann entwickeln sich sehr wirksame Synergieeffekte. Ich denke, in diesem Kontext an meine eigene Vergangenheit als überlebender sexueller Gewalt. Aufgrund der Pädophilie wurde ich von niedergelassenen Therapeut:innen und Kliniken abgelehnt. Warum gibt es keine Stelle, die einen weder als Überlebender sexueller Gewalt, noch als pädophiler nicht ablehnt? Daran muss sich meiner Meinung nach dringend etwas ändern. Virped und Prostasia haben ein Beispiel dafür geschaffen, dass Kinderschutz und Selbsthilfe sich nicht ausschließt. Der MSC-Chat fühlt sich menschlich und unterstützend an.
Brandon, du bist Moderator im MSC-Chat und bei Virped. Du erlebst die Nöte und Sorgen, insbesondere auch die der jungen Pädophilen. Gleichzeitig engagierst du dich in den sozialen Medien, um Menschen zu erreichen. Ich habe den Chat kennengelernt und finde die internationale Ausrichtung einzigartig. Vor vielen Jahren gab es keine Hilfsangebote und zum Glück haben es heute die Pädophilen einfacher als früher. Es gibt immer mehr Anlaufstellen. Allerdings gibt es auch MAPS, die in Pro-Kontakt Haltungen rutschen. Unsere Projekte bemühen sich, die Haltungen der Nutzer zu stärken und sich für ein verantwortungsbewusstes Leben zu entscheiden. Ich bin mir sicher, dass unsere Projekte schon viele unsichere und orientierungslose Pädophile in ihrer Haltung gestärkt haben. Ich könnte mir vorstellen, dass ohne diese Interventionen, einige auf einen falschen Weg gekommen wären.
Was wünschst du dir für die Zukunft für Virped und den MSC-Chat?
Ich würde mir wünschen, dass wir mit mehr Therapeut:innen, Therapieorganisationen und Forscher:innen zusammenarbeiten und Kontakte knüpfen. Ich würde auch gerne den MSC mit einigen anderen Sprachchats, die zwar angeschlossen, aber unabhängig sind, aufbauen und erweitern.
Markus
Ich wünsche mir ebenfalls verstärkt Kontakte zu Therapeut:innen und einfacher Zugang zu Hilfsangeboten. Wenn Chats und Foren in immer mehr Sprache verfügbar sind, wird die Hilfe und das Angebot viel selbstverständlicher und einfacher. Insbesondere in Bezug auf Minderjährige, die ihre Gefühle zu Kindern an sich entdecken, ist eine anonyme und vorurteilsfreie Hilfe wichtig. Ich erinnere mich an die Tage und Monate, in denen ich gespürt habe, dass ich pädophil bin. Zu meiner Zeit gab es keine Communitys, die so ausgerichtet waren wie SuH oder VirPed. Zum Glück habe ich später trotzdem meinen Weg gefunden und kann heute Menschen etwas geben, was mir selbst zu Beginn verwehrt geblieben ist.
Ich bedanke mich bei euch und freue mich auf die vielen Jahre, die noch folgen. Jahre voller Ideen und Erfolge, die wir hoffentlich noch zusammen erleben können. Als verbündete Projekte und natürlich als Freunde.